Batman, Martin Luther King und der Gott der Bergpredigt
Der gewaltlose Kampf Martin Luther Kings gegen die Rassentrennung in den USA ist sozusagen das Konflikttraining für Fortgeschrittene. Setzt unser Konflikttraining ganz bewusst darauf, Konflikte gut anzugehen, solange sie klein sind, so lehrt Martin Luther King (inspiriert von Mahatma Ghandi und der Bergpredigt) einen Weg – vielleicht sogar den Einzigen – wie man Konflikte beendet, wenn der Hass schon so offenbar und mächtig ist, dass Mord an der Tagesordnung ist und sogar ein Bürgerkrieg in der Luft liegt.
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100 Jahre nach der Abschaffung der Sklaverei war das Versprechen Amerikas für Freiheit, Gerechtigkeit und Demokratie nach wie vor nur für Weiße eingelöst. „Schwarze durften im Süden der USA nicht wählen und sie hatten im Norden keine Alternative, die sie wählen konnten.“ Der Alltag der Schwarzen war geprägt von gesetzlich verordneter und polizeilich geschützter Gewalt und Diskriminierung. Schwarze durften nicht in weißen Restaurants essen und deren Toiletten benutzen. Sie wurden unter fadenscheinigen Vorwänden festgenommen, mussten Gewaltausbrüche von Polizei erleiden und durften keinen polizeilichen Schutz erwarten, wenn der Mob des Ku-Klux-Clan sie lynchte. Martin Luther King musste als Jugendlicher mit seinen Freunden hinter den leeren Sitzplätzen für Weiße eine stundenlange Fahrt im Gang stehend hinter sich bringen. „Ich glaube, so vor Wut gekocht habe ich sonst nie in meinem Leben.“
In den 60er Jahren des 20. Jh. lag ein neuer Bürgerkrieg in den USA in der Luft – und wer hätte es den Schwarzen verdenken können, wenn sie sich letztlich mit Gewalt gegen das alltägliche Unrecht wehren? Wie reagieren wir, wenn uns schweres Unrecht oder auch das ganz alltägliche Leid zugefügt wird? Mit Hass und Verbitterung? Schmieden wir in unserem Herzen Rachepläne? In (einigen) Batman-Filmen ist diese Frage das durchgehende Thema: Wie reagieren wir, wenn Gewalt in unser Leben einbricht? Batman antwortet darauf: „Du bist bereit einen Menschen zu töten? Dann wird folgendes geschehen: Dieser Mensch wird sterben, aber dein Schmerz wird bleiben.“ Nie wird der Racheübende Ruhe finden und Nacht für Nacht treibt es Batman in die Finsternis wie ein Fluch und eine Besessenheit – auch wenn es scheinbar im Namen der Gerechtigkeit erfolgt. (vgl. dazu Wikipedia).
Martin Luther King wusste als Baptistenpfarrer genug von der Macht des Hasses und der Kraft der Liebe. Inspiriert von Mahatma Gandhi, der die Worte der Bergpredigt vielleicht sogar als Erster ernstnahm und entgegen einer unter Christen populären 2-Reiche-Lehre auf die Gesellschaft angewandt hat, entschied sich King für einen gewaltlosen Kampf. Dafür war er auch bei den Schwarzen sehr umstritten. Malcom X ist der berühmteste Name, der damals einen gewaltsamen Kampf forderte. Gewaltlos zu kämpfen bedarf eines größeren Mutes als zu töten.
King hat die Schwarzen bei seinen Protestaktionen sorgfältig vorbereitet in Gottesdiensten mit Gesängen, Gebeten und Ansprachen. Er wusste darum, dass er die Seele seiner Leute trainieren musste, damit sie bereit waren, die linke Wange hinzuhalten.
Und die Attacken einer „kranken Nation“ waren grausam: Busse sind zerstört worden, weil Weiße und Schwarze gemeinsam darin gefahren sind, Kirchen sind durch Bombenanschläge zerstört wurden wie auch das Haus von Martin Luther King.
In Birmingham boykottierten die Schwarzen die weißen Kaufhäuser und setzten sich in die Imbißecken der Weißen. Dafür wurden Hunde auf sie gehetzt und sie mit Wasserwerfern beschossen. Schwarze wurden massenweise ins Gefängnis gesteckt. King schrieb dort im Gefängnis einen berühmten Brief, in dem er seine Enttäuschung über die Kirchenführer ausdrückte, die sich nicht solidarisch mit ihnen erklärten. „Ihr müsst damit aufhören, in euren Predigten das Himmelreich zu versprechen und dabei die irdische Hölle in Birmingham außer Acht zu lassen.“
Das alles haben die Schwarzen überwiegend über sich ergehen lassen, ohne sich zur Gewalt provozieren zu lassen, denn sie durften dem Aggressor keinen Grund und keine Rechtfertigung für ihre Attacken bieten. Das ist der Schlüssel des gewaltlosen Kampfes und das ist der Fehler eines jeden, der im Namen auch einer gerechten Sachen gewalttätig wird: Wie ungerecht der Andere auch immer gewesen sein mag, jetzt ist er der Böse der zu Recht von Presse und Gerichten verurteilt werden kann.
Martin Luther Kings Kampf begann aus einer Kleinigkeit: Am 1.12.1956 weigerte sich Rosa Parks ihren Platz im Bus für einen Weißen zu räumen und – heute kaum noch vorstellbar – wurde sie dafür verhaftet. King, 1929 als Sohn eines Pastors geboren, wollte eigentlich kein Pastor werden und studierte zunächst Jura und ließ sich erst später überreden, Pastor zu werden. Auch den Kampf der Schwarzen hat er nicht initiiert, sondern er wurde in der nun folgenden Protestaktion als Führer gewählt. 381 Tage boykottierten die Schwarzen die Busse, gingen jeden Tag stundenlang zu Fuß zu einer schweren Arbeit und wieder zurück. Sie wurden dabei bedroht und nicht nur King erhielt zahllose Anrufe und Briefe mit Morddrohungen.
Eines Nachts war King erschöpft von den Angriffen und Drohungen und war bereit alles aufzugeben, ging auf die Knie zu beten und erlebte die überragende Kraft und Zuwendung Gottes. Drei Tage später wurde sein Haus von Bomben zerstört.
Später erhielt King den Friedensnobelpreis und leitete die damals größte Demonstration in den USA: den Marsch auf Washington. Dort hielt er seine berühmte Rede: „… Aber hundert Jahre später ist der Neger immer noch nicht frei. Hundert Jahre später ist das Leben des Negers immer noch verkrüppelt durch die Fesseln der Rassentrennung und die Ketten der Diskriminierung. Hundert Jahre später schmachtet der Neger immer noch am Rande der ameri-kanischen Gesellschaft und befindet sich im eigenen Land im Exil. … Als die Architekten unserer Republik die großartigen Worte der Verfassung und der Unabhängigkeitserklärung schrieben, unter-zeichneten sie einen Schuldschein, zu dessen Einlösung alle Amerikaner berechtigt sein sollten. … Es ist heute offenbar, dass Amerika seinen Verbindlichkeiten nicht nachgekommen ist, soweit es die schwarzen Bürger betrifft. Statt seine heiligen Verpflichtungen zu erfüllen, hat Amerika den Negern einen Scheck gegeben, der mit dem Vermerk zurückgekommen ist: „Keine Deckung vorhanden“. Aber wir weigern uns zu glauben, dass die Bank der Gerechtigkeit bankrott ist. … Jetzt ist es Zeit, die Versprechungen der Demokratie Wirklichkeit werden zu lassen. Jetzt ist es Zeit, aus dem dunklen und trostlosen Tal der Rassentrennung aufzubrechen und den hellen Weg der Gerechtigkeit für alle Rassen zu beschreiten. … Heute sage ich euch, meine Freunde, trotz der Schwierigkeiten von heute und morgen habe ich einen Traum. Es ist ein Traum, der tief verwurzelt ist in amerikanischen Traum. Ich habe einen Traum, dass eines Tages diese Nation sich erheben wird und der wahren Bedeutung ihres Credos gemäß leben wird: »Wir halten diese Wahrheit für selbstverständlich: dass alle Menschen gleich erschaffen sind.« … Ich habe einen Traum, dass meine vier kleinen Kinder eines Tages in einer Nation leben werden, in der man sie nicht nach ihrer Hautfarbe, sondern nach ihrem Charakter beurteilen wird. Ich habe einen Traum heute . . . Wenn wir die Freiheit erschallen lassen – wenn wir sie erschallen lassen von jeder Stadt und jedem Weiler, von jedem Staat und jeder Großstadt, dann werden wir den Tag beschleunigen können, an dem alle Kinder Gottes – schwarze und weiße Menschen, Juden und Heiden, Protestanten und Katholiken – sich die Hände reichen und die Worte des alten Negro Spiritual singen können: »Endlich frei! Endlich frei! Großer allmächtiger Gott, wir sind endlich frei!«“
Martin Luther King ist schon zu Lebzeiten als ein schwarzer Moses bezeichnet worden – als ein göttlicher Führer, der sein Volk aus der Sklaverei herausführte. Er war ein Mann Gottes und vielleicht ist sein Name ein Hinweis Gottes gewesen, das eine zweite Reformation notwendig ist: Eine Reformation, in der die Worte der Bergpredigt aus der Welt der Poesie herausgeholt werden und sie nicht mehr als eine Utopie abgetan werden. Eine Reformation, die die westliche Christenheit nach wie vor weitgehend verpasst hat.
In seiner letzten Rede spricht er in Anlehnung an Moses davon, dass er auf den Berg gestiegen ist, dass er das Verheissene Land gesehen hat, auch wenn er nicht sicher ist, dieses Land selbst betreten zu können. „Er fürchtet niemanden und auch nicht den Tod“ sind beinahe seine letzten öffentlichen Worte bevor er drei Tage später ermordet wurde. Vor vierzig Jahren am 4. April 1968.
Zitate: Martin Luther King (soweit nicht gekennzeichnet)
Bilder: Ho Che Anderson: Martin Luther King eine Graphic Novel aus dem Carlsen Verlag
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